Philosophie
Polyamoriestammtisch München
Hier ist Platz für alle philosophischen Gedanken und Ideen, die zum Thema Polyamorie passen.
Thesen einer (bedingungs-)freieren Liebe (von Philipp Schiebler)
Ich verwende hier bewusst den bereits geprägten Begriff der "Freien Liebe" um ihn neu zu prägen, als eine "freie tiefgehend-emotionale Liebe". Zu 100% frei zu lieben ist in meinen Augen unrealistisch. Die folgenden Ideale einer freien Liebe sind zugegebenerweise sehr extrem und sollen nur zur Inspiration dienen. Sie stellen Gegenpole zu vielen heute für selbstverständlich gehaltenen Überzeugungen. Jeder sollte für sich entscheiden, wieviel freie Liebe für ihn am stimmigsten und liebevollsten ist.
Wie es der Begriff bereits impliziert: Verbundenheit und Freiheit müssen kein Wiederspruch sein. In der richtigen Balance verstärken sie sich sogar gegenseitig und bringen Tiefe ins Beziehungsleben. Oder nochmal anders ausgedrückt:
Was ist Freiheit ohne Liebe und was ist Liebe ohne Freiheit?
Im Folgenden möchte ich umreißen, wie sich freiere Liebe bei mir anfühlt:
- Freie Liebe kann sich sehr echt, tiefgehend und natürlich anfühlen und kann in meinen Augen in monogamen wie polyamoren Beziehungen gelebt werden.
- Freie Liebe lässt sich nicht portionieren. Es ist nicht so, dass jemand 100 „Liebeseinheiten“ hat, die er an eine Person weitergibt. In der Vorstellung der meisten Menschen ist Liebe jedoch begrenzt. Wenn man also 20 „Liebe“ an eine Person gibt, dann bleibt folglich nur noch 80 „Liebe“ für die andere. Ich habe festgestellt, dass es sich mit der freien Liebe anders verhält. Je mehr Liebe man gibt, desto mehr hat man. Und die verschiedenen freien Lieben konkurrieren nicht, sondern verstärken sich gegenseitig.
- Freie Liebe existiert einfach. Sie wird nicht erzeugt (durch irgendwas oder irgendwen) sondern zugelassen. Dann wenn sie nicht gebunden ist an Erwartungen, Ängste oder Hoffnungen. Es gibt kein: Ich liebe dich, weil … Sondern nur eine bedingungslose Form von Verbundenheit mit dem Anderen. Es ist ein einfaches „Ich liebe dich“.Da die andere Person ein Individuum und einzigartig ist, ist es die Liebe auch. Wenn die Liebe tatsächlich einzigartig und dami frei ist, kann sie innerlich auch mit nichts konkurrieren. Wie sollte ein Autoreifen mit einer Glühbirne konkurrieren können?
- Freie Liebe befreit Wenn man freie Liebe fühlt, dann ist es das Gefühl, als wenn alles möglich wäre, aber nichts geschehen muss, damit man glücklich sein kann. Alles darf, nichts muss. Man fühlt sich frei alles anzunehmen was kommt und alles zu tun, was dem eigenen Herzen entspricht.
- Freie Liebe heißt nicht Verantwortungsfreiheit. Im Gegenteil. Freie Liebe befreit und die daraus resultierenden Entscheidungen fühlen sich genauso frei an. Wenn ich also das Gefühl einer freien Entscheidung habe ist die gefühlte Verantwortung, die ich damit übernehme, viel größer. Loyalität, Ehrlichkeit und Offenheit sind genauso wichtig wie in einer gebundenen Liebe.
- Freie Liebe verbindet Das klingt möglicherweise wie ein Widerspruch zum eigentlichen Konzept. In Wirklichkeit ist damit jedoch das Gefühl der Gemeinsamkeit, das Gefühl einer tiefen, inneren und bedingungslosen Verbundenheit gemeint und nicht das Gefühl von Besitz. Freie Liebe kann sehr sicher sein, da sie keine spezielle Ausdrucksform braucht und nicht abhängig ist von Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Wenn sie nicht verdrängt wird, existiert sie weiter, selbst wenn keine (äußere) Beziehung mehr vorhanden ist. Auch eine Erwiderung der freien Liebe durch den Anderen ist nicht unbedingt notwendig.
- Freie Liebe hat nichts mit Selbstaufopferung zu tun. Selbstaufopferung geschieht dann, wenn einer etwas gibt, das er nicht zurückbekommt und eigentlich selber bräuchte. Wenn das geschieht, läuft einiges falsch. Freie Liebe bereichert, unabhängig davon ob oder in welcher Form sie erwiedert wird. Damit ist natürlich tatsächlich nur die Liebe gemeint, nicht die Zeit, das Geld und den Schweiß, den man in eine Beziehung „investiert“. In diesen Bereichen kann sehr wohl Ungerechtigkeit herrschen.
- Freie Liebe ist nicht beliebig. Im Gegenteil: Sie ist hoch speziell. Sie ist so speziell, dass derjenige, den man liebt, einen Platz im eigenen Herzen einnimmt, der durch niemanden anderen eingenommen werden kann. Hat man jemanden gefunden, der so speziell für einen ist, dass er bedingungslos bis in diese tiefe der eigenen Seele reicht, dann kann man sich glücklich schätzen. Diese Liebe ist jedoch nicht in diesem Bereich gefangen. Im Gegenteil: sie strahlt in alle Bereiche des Lebens, in die man sie strahlen lässt und macht es tausendmal leichter andere freier zu lieben. Ja, es kann einem sogar helfen, jeden Augenblick und Umstand in seinem Leben etwas mehr wert zu schätzen.
"Polyamorie - Ein Blick auf mögliche zukünftige Beziehungsgemeinschaften anhand Sartres Stück "Geschlossene Gesellschaft"" von Anand Buchwald (Link zuletzt aktualisiert am 11.04.2012)